Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) by Abbott Megan

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) by Abbott Megan

Autor:Abbott, Megan [Abbott, Megan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462305272
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2012-02-27T23:00:00+00:00


[Menü]

14.

Den Kopf voller Gedanken an Bobby Thornhills Sehnsüchte schleiche ich mich durch die Verandatür ins Haus. Es ist stockdunkel in der Küche, ich rutsche mit meinen nackten Füßen fast auf dem Linoleum aus und stolpere, spüre etwas Weiches, als würde ich in einen Berg Wäsche fallen, es ist aber keine Wäsche, und dann blitzen auf einmal Brillengläser auf, und es ist Dr. Aiken, das Hemd aus der Hose, der mich auffängt, in unserer Küche.

Ich kann mit der Hand vorm Mund gerade noch einen Schrei unterdrücken.

»Lizzie«, flüstert er ziemlich laut, und hält meine zitternden Arme fest, damit ich nicht umfalle.

»Ich kenne Sie gar nicht«, sage ich. Ich kann seine Augen hinter den blitzenden Brillengläsern nicht erkennen.

»Ich bin ein Freund von deiner Mutter. Ich wollte gerade gehen.«

Da wird das Flurlicht eingeschaltet, und meine Mutter kommt um die Ecke und bindet sich den Morgenmantel zu.

»Lizzie«, zischt sie und sieht erst zur offenen Verandatür, dann auf meine grasverschmierten Füße.

»Lizzie, was hast du da draußen zu suchen?« Sie packt mich grob am Handgelenk. »Warst du draußen? Ganz alleine, nach allem, was passiert ist?«

Dieser eiserne Griff um mein Handgelenk, was glaubt sie eigentlich, ich hebe das Kinn und kann mich nicht beherrschen. »Ich kann ja wohl machen, was ich will«, brülle ich, »tust du doch auch.«

Unvermittelt gibt sie mir eine Ohrfeige, und sie brennt.

»Diane«, sagt Dr. Aiken und streckt die Hand aus, »sie war gar nicht draußen. Ich habe die Tür aufgemacht. Sie muss mich gehört haben und ist heruntergekommen. Wir haben uns beide erschreckt.«

Ich sehe ihn an, meine Wange brennt, ich sehe ihn an, höre, wie er mir die blütenweiße Haut rettet, aber ich sehe nur das Licht auf seiner Brille blitzen und sage nichts.

Beim Frühstück würde meine Mutter mir am liebsten über die Wange streicheln, das sehe ich ihr an. Ted ist schon los zu seinem Ferienjob auf dem Golfplatz, und so sind wir nur zu zweit. Wir haben nicht weiter darüber geredet, und ich habe tief und fest geschlafen und bin davon aufgewacht, dass sie telefonierte, in einem anklagenden Flüstern, einmal wurde sie lauter und sagte: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Ich kratze ungerührt das Schwarze von meinem Toast. Sie versucht, ein Gespräch anzufangen. Ihre Sätze klingen gezwungen, beschämt, und eigentlich sagt sie gar nichts.

Sie wirkt unsicher, und ihre Hände zittern, und die ganze Kribbeligkeit, die sie nach seinen Besuchen sonst immer ausstrahlt, ist weg. Sie ist weg, das sieht man ihr an. Sie klopft mit den Knöcheln auf die Zeitung und seufzt, wischt mit einem Lappen hier und dort ein wenig herum und macht sich geräuschvoll in der ganzen Küche zu schaffen.

Und geht endlich auch zur Arbeit.

Ich spaziere durchs Haus, bleibe in der Tür zum Zimmer meiner Mutter stehen. Ich gehe nicht hinein, ich kann einfach nicht, aber ich sehe, dass das Bett nicht gemacht ist, und ich kann die Restwärme in den Decken fast spüren.

Denkt sie, dass ihr Arzt nie wiederkommt, jetzt, wo er gesehen hat, was er gesehen hat?

Abhauen, nachts, spät, sein Haus so nah, die Krallen seiner Frau schließen sich um ihn.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.